Verhaltensauffällig oder nicht? Ab wann man davon spricht

28.08.2014

„In meiner Klasse habe ich 3 Verhaltensauffällige“, beschwert sich eine Lehrerin in der Unterhaltung mit den Kollegen. „Bei mir sind es mindestens 5“, antwortet die Kollegin. „Da habe ich Glück, bei mir ist keiner“, ergänzt ein Kollege. – Verhaltensauffällig, das ist eine Diagnose, die Lehrer bei Schülern stellen, die den Unterricht stören und sich nicht an die aufgestellten Regeln halten. Doch genaue Kriterien für die Grenze zwischen dem altersgemäßen entwicklungspsychologisch und temperament-bedingten Verhalten und dem „auffälligen“ Verhalten sind schwer zu begründen.

Widmen Sie dem Thema „Verhaltensauffälligkeiten“ eine pädagogische Konferenz. Verwenden Sie die folgenden Informationen zur Klärung des Begriffs und zum Umgang mit den Kindern.

Fall 1: Kinder mit ADHS
Der 9-jährige Kevin nervt die Eltern, die Lehrer und die Mitschüler. Häufig quatscht er im Unterricht vor sich hin, steht auf, wandert im Klassenzimmer herum. Er kann sich nur kurz konzentrieren und sich nicht an Regeln halten. Zurechtweisungen und Schimpfen helfen ebenso wenig wie gutes Zureden. Die Lehrerin vermutet dahinter das „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität“, kurz ADHS genannt. Die Mutter sucht mit dem Jungen einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie auf. Die Diagnose stellt der Kinderpsychiater vor allem auf der Basis der Befragung von Eltern und Lehrern. Merkmale sind,

  • dass die Symptome bereits vor dem 7. Lebensjahr begonnen haben und
  • sich in mehreren Lebensbereichen zeigen, also sowohl in der Schule als auch zu Hause,
  • dass eine deutliche Beeinträchtigung im sozialen und im Lernbereich vorliegt.

In besonders gravierenden Fällen von ADHS werden Medikamente wie Ritalin verschrieben.

So reagieren Sie richtig:

  • Das auffällige Verhalten richtet sich nicht gegen Sie persönlich. Bleiben Sie gelassen.
  • Bestehen Sie geduldig auf der Einhaltung von Regeln. Doch geben Sie dabei Hilfestellung.
  • Werden Sie der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Kindes gerecht. Zerteilen Sie Aufträge in kleine Schritte, nach denen Sie Rückmeldung geben.

Fall 2: Kinder, die nicht an Regeln gewöhnt sind
Julia hat sich sehr auf die Schule gefreut. Doch als ihr die Lehrerin erklärt, dass sie nicht jederzeit essen kann und dass sie die Aufträge der Lehrerin ausführen muss, wirft sie ihren Stuhl um, brüllt los: „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ und rennt aus dem Klassenzimmer.

Aus diesem Verhalten lässt sich schließen, dass das Kind bisher eine sehr spontane Bedürfnisbefriedigung gewohnt war und wohl wenige Einschränkungen von Erwachsenen hinnehmen musste. Julia muss lernen, ihre Bedürfnisse nach der sofortigen Erfüllung ihrer Wünsche und Impulse aufzuschieben. Ebenso muss sie lernen, Erwachsene, vor allem Lehrkräfte, als Autorität anzuerkennen.

So reagieren Sie richtig:

  • Laden Sie deshalb die Eltern zeitnah zu einem Beratungsgespräch ein. Lassen Sie es in eine Zielvereinbarung münden. Dabei erklären sich die Eltern bereit, Ihre schulischen Zielsetzungen auch zu Hause durch ein konsequentes Erziehungsverhalten zu unterstützen.
  • Fordern Sie auch in der Schule ruhig und konsequent das angemessene Verhalten ein.
  • Loben Sie das richtige Verhalten so oft wie möglich.

Fall 3: Wenn der Lehrer zu wenig führt
Eine Referendarin übernimmt den Mathematik- und Englisch-Unterricht in der 6. Klasse. Bereits am 3. Tag klagt sie bei ihrer Betreuungslehrkraft, die Kinder würden nicht auf sie hören. Nahezu die Hälfte der Schüler verweigere die Mitarbeit. Auch schriftliche Arbeiten würden sie nicht ausführen. Die Androhung von schlechten Noten habe zu keiner Verbesserung der Lage geführt. – So viele verhaltensauffällige Kinder in einer Klasse habe sie noch nie erlebt.

In der Tat halten diese Kinder offensichtlich die Regeln nicht ein, sind also verhaltensauffällig. Die Ursache liegt jedoch darin, dass sich die Lehrerin der Klasse zu wenig als Führungsperson zeigt. In so einem Fall beginnt ein Machtkampf mit der Lehrkraft, wer den Ton in der Klasse angibt. Ein Wettbewerb, wer sich am meisten traut, setzt ein und zerstört die Arbeitsatmosphäre.

So reagieren Sie richtig:

  • Zeigen Sie der Referendarin die Zusammenhänge zwischen ihrem eigenen Verhalten und dem der Kinder auf.
  • Geben Sie ihr Hinweise, wie sie durch einen schwungvollen Unterricht und deutliches Führungsverhalten die Fäden in der Hand behält.
  • Ermutigen Sie sie, Störungen von Schülern schon in den kleinsten Ansätzen zu bemerken und z. B. die Kinder durch körpersprachliche Impulse wieder zum Lernen zurückzuholen.

Fazit: Der Begriff „verhaltensauffällig“ ist ein Pauschalbegriff für sehr verschiedene Erscheinungsformen unangemessenen Verhaltens. Wenn Sie den Hintergründen auf die Spur kommen, können Sie Schlussfolgerungen für den Umgang mit den Schülern ziehen und das auffällige Verhalten eindämmen.


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