10.05.2016
Auch wenn es noch eine Weile dauert, bis die nächsten Zeugnisse und Abschlüsse erteilt werden, sollten Sie sich wappnen, falls Eltern sich gegen Zeugnisnoten wehren wollen. Die Inanspruchnahme des Rechtswegs gegen Nichtversetzungen oder Nichtzulassungen zu Abschlussprüfungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Worauf Sie sich einstellen müssen wenn Eltern sich über schlechte Noten beschweren, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Praxisbeispiel
Noch vor der Zeugniskonferenz wird deutlich, dass Sophia ihre Defizite in den Fächern Mathematik und Englisch nicht aufholen und ausgleichen kann. Klassenlehrerin Sibylle Möller unterrichtet die Eltern von Sophia und bereitet sie darauf vor, dass Sophia das Schuljahr voraussichtlich wiederholen muss.
Sophias Vater, Dr. Peter Möller, Chefarzt im örtlichen Krankenhaus in Neustadt, ist außer sich. Er bezichtigt die Klassenlehrerin und deren Kollegen der Unfähigkeit. Schließlich bezahle er seit Monaten Geld für Nachhilfe, sodass Sophia das Schuljahr in jedem Fall schaffen müsse. Er kündigt an, Rechtsmittel gegen die mögliche Nichtversetzung einzulegen, falls sich die Prognose der Klassenlehrerin bestätigen sollte.
Bei versetzungsrelevanten Noten sind Beschlüsse der Zeugniskonferenz nötig
Zeugnisnoten, insbesondere die in Versetzungszeugnissen am Ende des 2. Halbjahres, entscheiden darüber, ob Kinder das Ziel des Schuljahres schaffen oder nicht. Handelt es sich also um versetzungsrelevante Noten am Ende eines Schuljahres, sind hierzu Beschlüsse der Zeugniskonferenz nötig. Derartige Beschlüsse über die Nichtversetzung eines Schülers sind Verwaltungsakte im Rechtssinn (vgl. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]). Aus diesem Grund wird die Entscheidung über die Nichtversetzung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Es steht der förmliche Rechtsweg mit Widerspruch und Klage offen.
So sollten Sie vorgehen wenn Eltern gegen schlechte Noten Einspruch erheben
Als Schulleiter sollten Sie sich frühzeitig bei Ihren Klassenlehrern über „Wackelkandidaten“ informieren. Bereiten Sie sich auf mögliche Widersprüche und Klagen vor dem Verwaltungsgericht vor. Wie ein Rechtsmittelverfahren organisatorisch und formal abläuft, entnehmen Sie dem nachfolgenden Ablaufschema.
1. Ein Verwaltungsakt liegt vor
Für ein förmliches Widerspruchsverfahren muss ein Verwaltungsakt im Rechtssinne vorliegen. Dies kann z. B. die Entscheidung über die Nichtversetzung eines Schülers sein.Der Verwaltungsakt muss unmittelbare Rechtswirkung entfalten, also Auswirkungen auf die Schullaufbahn des Schülers haben. Dies ist bei einer Nichtversetzung immer der Fall. Der Verwaltungsakt muss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung ausgestattet sein. Diese befindet sich in der Regel am Ende des Zeugnisformulars.
Wichtiger Hinweis
Ohne die notwendige Rechtsbehelfsbelehrung beträgt die Frist für den Widerspruch ein ganzes Jahr ab Zugang des Zeugnisses. Achten Sie also unbedingt darauf, dass alle Zeugnisse diesen Hinweis enthalten.
2. Fristgerechtes Widerspruchsschreiben
Wenden sich Eltern gegen die Nichtversetzung ihres Kindes, müssen Sie dies als Widerspruch werten. Dies gilt auch dann, wenn das Schreiben nicht explizit als „Widerspruch“ erklärt ist. Sie müssen das Anliegen der Eltern entsprechend dessen Inhalt als Widerspruch auslegen. Für die Gerichte kommt es nur auf das tatsächliche rechtliche Begehren der Eltern an. Dies ist die Versetzung des Schülers. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats ab Zugang des Zeugnisses erfolgen und begründet werden.
3. Berufen Sie die Zeugniskonferenz ein
Wendet sich also z. B. der Vater von Sophia gegen die Noten in Mathematik und Englisch, müssen Sie die Zeugniskonferenz zu dieser Frage erneut einberufen. Schließlich sind Sie als Schule zunächst selbst gehalten, über den Widerspruch zu entscheiden. Sie fungieren also als Widerspruchsbehörde. Wenn die Zeugniskonferenz zu dem Ergebnis kommt, dass die Argumente der Eltern stichhaltig sind, entscheiden Sie erneut über die Noten und die Versetzung.
4. Leiten Sie die Sache an die Schulaufsichtsbehörde weiter
Wenn Sie dem Widerspruch nicht entsprechen können, müssen Sie diesen an Ihre Schulaufsichtsbehörde weiterleiten. Diese entscheidet dann in der Sache über den Widerspruch der Eltern.
Auch die Schulaufsicht hat die Möglichkeit, in der Sache selbst dem Widerspruch stattzugeben oder ihn zurückzuweisen. Im letztgenannten Fall bleibt es bei der Nichtversetzung. Die Entscheidung wird den Eltern durch die Schulaufsichtsbehörde mitgeteilt.
5. Erhebung der Klage
Bestätigt die Aufsichtsbehörde Ihre Entscheidung als Schule, bleibt den Eltern nur die Möglichkeit, sich auf dem Klageweg gegen die Nichtversetzung zu wehren. Dabei wird jedoch keine sogenannte Anfechtungsklage gegen die Nichtversetzung erhoben. Denn diese beseitigt lediglich die Nichtversetzung, trifft aber keine Entscheidung über die Versetzung selbst. Vielmehr müssen die Eltern eine sogenannte Verpflichtungsklage auf Versetzung in das nächste Schuljahr erheben.
Fazit
Wenn Sie diese Verfahrensschritte kennen, können Sie entsprechenden Ankündigungen von Eltern rechtssicher begegnen.