„Besteht Versicherungsschutz, wenn ich die Aufsichtspflicht verletze?“ – Lehrkräfte und Schulleiter stellen diese Frage zu Recht sehr häufig, da bei einem fehlerhaften Verhalten in diesem Bereich die persönliche Haftung als Konsequenz droht.
Kurz vor den Sommerferien sind die Schüler der Städtischen Grundschule in Neustadt außer Rand und Band. In den Pausen toben sie wie wild, sodass es den aufsichtführenden Lehrerinnen Lisa Müller und Tina Schwarz schwerfällt, alle unter Kontrolle zu haben. Besonders beliebt ist das erst vor Kurzem eingeweihte Klettergerüst auf dem Abenteuerspielplatz der Schule. Mehrere Schüler der Klasse 2a klettern gleichzeitig an diesem Gerüst. Tina Schwarz macht sie darauf aufmerksam, dass sie nacheinander daran klettern sollen, um sich nicht zu verletzen. Sie dreht sich um, um sich einer raufenden Gruppe von Jungen zu nähern, als die kleine Sarah so unglücklich vom Klettergerüst fällt, dass sie sich die linke Schulter bricht. Die Eltern von Sarah sind außer sich und verlangen von Tina Schwarz Schadenersatz und Schmerzensgeld für ihr Kind.
Unfallschäden von Schülern sind grundsätzlich durch die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) abgedeckt. Sie deckt sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit Personenschäden anfallen, einschließlich Folgeschäden. Anhand der detaillierten Unfallmeldung entscheidet die GUV, was sie an Schäden übernimmt. Gibt es Hinweise auf eine grob fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung, prüft sie auch die Haftung der Lehrkraft. Vorsatz, z.B. die billigende Inkaufnahme, führt immer zu persönlicher Haftung.
Generell sind Sie und Ihre Lehrkräfte nicht für das allgemeine Risiko von Verletzungen beim Spielen in der Pause verantwortlich. Nur für den Fall, dass eine Ihrer Lehrkräfte die Aufsichtspflicht grob fahrlässig verletzt, kann auch eine persönliche Haftung in Betracht kommen.
Informieren Sie Ihre Lehrkräfte insbesondere zum Schuljahresbeginn, wenn auch neue Lehrkräfte in Ihr Kollegium kommen, über den bestehenden Versicherungsschutz und eine etwaige persönliche Haftung.
Handelt Ihre Lehrkraft grob fahrlässig, indem sie ihrer Aufsichtspflicht nur ungenügend nachkommt, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung nicht. Grob fahrlässig handelt, wer die übliche Sorgfaltspflicht in außergewöhnlichem Maße verletzt. Wenn eine Lehrkraft also eine wichtige Vorsichtsmaßnahme verletzt, deren Beachtung sich jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage aufdrängt, kann eine grobe Fahrlässigkeit vorliegen.
Im Beispiel liegt jedoch keine grobe Fahrlässigkeit vor: Tina Schwarz hat die Kinder auf Regeln am Klettergerüst hingewiesen und sie nochmals auf das erhöhte Unfallrisiko aufmerksam gemacht. Wenn sie sich zum Zeitpunkt des Unfalls gerade um eine andere Gruppe von Schülern kümmert, hat sie dennoch ihrer Aufsichtspflicht Genüge getan. Sie ist nicht verpflichtet, das Klettergerüst dauerhaft während der Pause zu bewachen.
Mit folgendem Brief können Sie Ihre Lehrkräfte über die Themen Versicherungsschutz und Aufsichtspflichtverletzung informieren:
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der vergangenen Woche ist eine Schülerin der Klasse 2a vom Klettergerüst gestürzt. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, Sie auf mögliche haftungsrechtliche Konsequenzen bei der Aufsicht hinzuweisen. Alle Schüler und auch Lehrkräfte sind bei Unfällen durch die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) versichert. Sie übernimmt immer zunächst sämtliche Kosten, die beim geschädigten Schüler entstehen. Ich möchte Sie jedoch darauf hinweisen, dass die Kostenübernahme ausgeschlossen ist für den Fall, dass der Unfall auf eine Aufsichtspflichtverletzung durch die Lehrkraft zurückzuführen ist, die grob fahrlässig war. Im Fall einer groben Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz, für den auch die billigende Inkaufnahme ausreicht, trägt weder die GUV noch eine etwaige private Haftpflichtversicherung den Schaden. Sie haften demnach persönlich in voller Höhe allein für den Ersatz dieses Schadens. Mit freundlichen Grüßen Paul Sorgsam |
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