Ein empörter Vater beschwert sich am Telefon lautstark über die Behandlung seines elfjährigen Sohnes Sven. Eine Clique von Jungs habe ihn und seinen Freund auf dem Pausenhof angegriffen. Da sei ihm schließlich nichts anderes übrig geblieben, als sich zu verteidigen. Dabei habe er erhebliche Kratzer davongetragen und seine Jacke sei beschädigt worden. Kein Lehrer sei ihm zu Hilfe gekommen. Er verlange Schadensersatz und eine Erklärung von der Schule.
Erregte Eltern sind am Telefon oft nur schwer zu beruhigen. Erst recht lässt sich das angesprochene Problem nicht "auf die Schnelle" lösen. Vielmehr ist die Gefahr groß, dass sich durch eine Spirale von Angriff und Verteidigung die Fronten verhärten. Vereinbaren Sie deshalb auf jeden Fall einen Termin für ein ausführliches Elterngespräch. Auch wenn Ihr Kalender schon recht voll ist – für solche Notfälle sollten Sie immer eine Pufferzeit vorgesehen haben. Auch ein Sieben-Uhr-Früh-Termin kann ein willkommener Zeitpunkt für Elterngespräche sein.
1. Phase – Gesprächseröffnung: Nennen Sie den Anlass und das formale Gesprächsziel (über den Vorfall auf dem Pausenhof und die Konsequenzen). Signalisieren Sie den Eltern Vertrauen und Offenheit, indem Sie zum Beispiel betonen, dass auch Ihnen das Thema (die Klärung) sehr am Herzen liegt. Sprechen Sie den vorgesehenen Ablauf und den zeitlichen Rahmen an.
2. Phase – Klärung des Sachverhalts: Beide Seiten sollten nun die gemeinsamen und unterschiedlichen Sichtweisen darstellen und klären. Alle Informationen werden zusammengetragen. Das gegenseitige Hinhören und Nachfragen ist in dieser Phase von besonderer Bedeutung.
3. Phase – Zielfindung: Klären Sie die gemeinsamen und unterschiedlichen Ziele. Häufig stellt sich der aktuelle Gesprächsanlass nur als "Aufhänger" für ein weit größeres Problem dar. Bei Sven könnte es sich allgemein darum drehen, wie sich seine Sozialkompetenz stärken lässt.
4. Phase – Lösung: Sammeln Sie gemeinsam Ideen für die Bewältigung des Problems (Stützen zu Hause und in der Schule), überlegen Sie, ob die Lösungen durchführbar sind und welche Konsequenzen daraus erwachsen.
5. Phase – Entscheidung: Treffen Sie gemeinsame Vereinbarungen, sprechen Sie konkrete Veränderungen ab, und halten Sie diese möglichst schriftlich fest. Lesen Sie sie noch einmal vor, damit sie für beide Gesprächspartner eindeutig sind.
6. Phase – Fassen Sie das Ergebnis zusammen: Geben Sie sich gegenseitig Feedback, und schließen Sie mit einem Ausblick (evtl. weiterer Gesprächstermin) und der Verabschiedung ab.
Der vorgeschlagene Ablauf für kooperative Elterngespräche lässt sich nur realisieren, wenn Sie in jeder Phase die Eltern zu Wort kommen lassen und für ihre sicher oft subjektiven Meinungen Verständnis zeigen. Hören Sie aktiv zu, indem Sie sich vergewissern, ob Sie den Gesprächspartner auch richtig verstanden haben. Geben Sie das Gehörte mit kurzen prägnanten Worten wieder, und fragen Sie nach, ob es auch so gemeint war.
Stärken Sie die Eigenverantwortung und das Selbstwertgefühl der Eltern, indem Sie gemeinsam nach Lösungen suchen, anstatt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Lösen Sie dieses mehr auf den Partner bezogene Gesprächsverhalten ("pacing") ab durch Zusammenfassungen und anschließende Fragen oder Impulse. So bleiben Sie am Ball, strukturieren und steuern den Gesprächsablauf ("leading") und sorgen für Ziel- und Ergebnisorientierung. Den Partner verstehen heißt nicht, dass Sie alle seine Argumente akzeptieren müssen. Vertreten auch Sie Ihren eigenen Standpunkt.
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